Pressemitteilung : „Integration ist noch allzu oft ein Lotteriespiel auf Kosten der Flüchtlinge“

Licht und Schatten bei Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland – Netzwerk für Sprach- und Integrationsmittlung sieht Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht 

(Wuppertal, 28.10.2013) Ob die Integration der 5.000 syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge gelingt, die in den nächsten Monaten nach Deutschland kommen, ist für die Betroffenen ein Lotteriespiel. Während einzelne Städte den Neuankömmlingen kompetente Helfer zur Seite stellen können, fehlen andernorts die notwendigen Strukturen komplett. Diese kritische Zwischenbilanz zieht die Servicestelle SprInt in Wuppertal, die sich führend für den flächendeckenden Aufbau einer professionellen Sprach- und Integrationsmittlung (SprInt) in Deutschland einsetzt. Die Servicestelle und ihre Netzwerkpartner werden hierbei vom Europäischen Integrationsfonds (EIF) gefördert, um die nötigen Strukturen zu schaffen.

„Wie unterschiedlich die Startvoraussetzungen für die syrischen Flüchtlinge und andere Neuzuwanderer in Deutschland sind, zeigt, warum wir dringend eine Professionalisierung in diesem Bereich benötigen“, erklärt Achim Pohlmann, Koordinator der Servicestelle SprInt und Leiter der Migrationsdienste der Diakonie Wuppertal. Fehlende Verständigungsmöglichkeiten schaden Neuankömmlingen und zuständigen Behörden gleichermaßen. Wenn Flüchtlinge und andere Migranten persönliche Auskünfte und Behördenschreiben nicht verstehen, ziehen sich Verfahren unnötig in die Länge und lassen den Arbeitsaufwand drastisch steigen. Im schlimmsten Fall werden wichtige Fristen verpasst, und der Zugang zu Hilfsangeboten bleibt den Betroffenen verwehrt.

Positive Erfahrungen in Wuppertal

Wie es anders geht, zeigt sich in Wuppertal, wo die professionelle Sprach- und Integrationsmittlung (SprInt) bereits Wirklichkeit ist. Hier begleitet die SprInt-Fachkraft Midia Ahmad, selbst gebürtige Syrerin, die Eingliederung einer syrischen Flüchtlingsfamilie. Dabei bietet sie weit mehr als Dolmetschdienste. SprInt-Fachkräfte dolmetschen kultursensibel. Sie sind also darin geschult, kulturelle Missverständnisse zu vermeiden, auch solche, die aus Besonderheiten der Körpersprache oder unterschiedlichen Vorerwartungen und Erfahrungen entstehen. Zudem kennen sich SprInt-Fachkräfte gut im deutschen Ausländerrecht, Gesundheits- und Bildungswesen aus. Bei der Begleitung der Familie entlastet Ahmad nicht zuletzt die deutschen Fachkräfte, zum Beispiel im Jobcenter bei der Beantragung von Unterstützung. Mit der Hilfe von Midia Ahmad konnten für die Wuppertaler Flüchtlingsfamilie die wichtigsten Weichen für die Eingliederung in die deutsche Gesellschaft gestellt werden.  „Die Familie ist sehr zuversichtlich“, berichtet Midia Ahmad. „Ich bin froh, dass ich einen wichtigen Beitrag zur ihrer Integration in Deutschland leisten kann.“

Hilferuf aus Göttingen

Komplett anders ist die Situation in Göttingen. Hier sendete vor wenigen Wochen die Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen (BIGS) einen Hilferuf aus. „Wir wissen von Flüchtlingen, die kein Geld zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beantragen können, weil die deutschen Formulare ihnen nicht in ihrer Muttersprache erklärt werden konnten“, berichtet Mathis Weselmann, ein Mitarbeiter der Bildungsgenossenschaft. Bestehende Angebote waren in Göttingen 2013 weggefallen: Wegen fehlender öffentlicher Mittel musste das Migrationszentrum Göttingen seinen langjährig bestehenden Dolmetschdienst einstellen. Die BIGS – selbst aktiv im SprInt-Netzwerk – möchte das SprInt-Angebot auch in Niedersachsen aufbauen und hofft angesichts der sich verschärfenden Situation auf ein Umdenken in der niedersächsischen Politik.

„Der Weg zu einem flächendeckenden Angebot unseres Sprach- und Integrationsdienstes ist noch weit. Hier ist das Engagement von Bund, Ländern und Kommunen gefordert“, unterstreicht Achim Pohlmann. Dabei kann sich Deutschland ein Beispiel nehmen an Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, wo die Dienstleistung bereits flächendeckend professionell angeboten wird und zum Teil als Beruf anerkannt ist.

Das SprInt-Netzwerk in Deutschland

Das bundesweite Netzwerk Sprach- und Integrationsmittlung besteht aus über dreißig Partnerorganisationen in elf Bundesländern. Die Diakonie Wuppertal übernimmt eine koordinierende und beratende Rolle. Ziel des Netzwerks ist es, die Dienstleistung der Sprach- und Integrationsmittler überall in professioneller Form verfügbar zu machen, um Migranten einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheits-, Sozialversorgung und Bildung zu ermöglichen. Dafür bilden die Partner Sprach- und Integrationsmittler aus und bauen Vermittlungsservices auf, die die Dienstleistung den Einrichtungen in der Region zugänglich machen. Auch setzen sie sich für einen staatlich anerkannten Fortbildungsberuf „Sprach- und Integrationsmittler/-in“ ein.

Hinweis an Redaktionen 

Gerne eröffnen wir Ihnen die Möglichkeit, die Arbeit der SprInt-Fachkräfte persönlich kennenzulernen. Wenn Sie unseren Mitarbeitern bei der Arbeit über die Schulter schauen wollen, sprechen Sie uns bitte an. Wir bemühen uns, Ihren Recherchewünschen im Rahmen unserer Möglichkeiten nachzukommen.

Pressekontakt

Fabian Junge
Wissenschaftlicher Mitarbeiter | Öffentlichkeitsarbeit
Bundesweite Servicestelle Sprach- und Integrationsmittlung
Diakonie Wuppertal, Migrationsdienste

Tel.: 0202/ 97444-724 oder 0202/ 496970

fjunge@diakonie-wuppertal.de

www.sprachundintegrationsmittler.org